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Auf den Spuren Martin Luthers

Exkursion zur Wormser Luther-Ausstellung am 24. Juli 2021

von Nina Gallion

Vor genau 500 Jahren – im Jahr 1521 – fand der Wormser Reichstag statt, dessen Ereignisse weltgeschichtliche Bedeutung erlangen sollten. Martin Luther, der wenige Jahre zuvor mit seinen 95 Thesen massive Kritik an der Praxis des Ablasshandels geübt hatte und in der Folgezeit ins Visier der Kirche geriet, sollte in Gegenwart des habsburgischen Kaisers Karl V. seine Schriften widerrufen. Nach einem Tag Bedenkzeit lehnte Luther dieses Ansinnen rundheraus ab und erklärte auf Latein, dass er nichts widerrufen könne und wolle, „weil wider das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist.“ Der populäre Schlusssatz „Hier stehe ich. Gott helfe mir. Ich kann nicht anders“ ist von den zeitgenössischen Quellen nicht verbürgt und wurde erst in späteren Zeiten hinzugefügt. Luthers Beharrlichkeit stieß beim Kaiser indes auf wenig Gegenliebe: Karl V. erließ das Wormser Edikt, das die Lehre und Schriften Luthers verbot und die Reichsacht über den Reformator verhängte.

Aufgrund des genannten Jubiläums fand im Sommersemester 2021 die Übung „Luthers Ahnen – Die Reformation und ihre mittelalterlichen Wurzeln“ statt, an der 14 Studierende teilnahmen. Die Übung nahm die Ereignisse des Wormser Reichstags zum Anlass, um nicht nur nach dessen unmittelbarer Vorgeschichte, sondern auch nach den mittelalterlichen Wurzeln von Luthers Lehren zu fragen. Diese Spurensuche führte zum Beispiel zu dem Engländer John Wyclif († 1384) und zu dem Böhmen Jan Hus († 1415), in deren Werk sich einiges davon finden lässt, was Martin Luther später in seinen 95 Thesen und anderen Schriften formulieren sollte. Auch dem 15. Jahrhundert war der dringende Wunsch nach kirchlichen Reformen nicht fremd: Die Kritiker störten sich an der Verweltlichung der Geistlichen, am Ämterkauf und an der Vetternwirtschaft, an der mangelnden Zucht in den Klöstern und am Ablasshandel. Gegen letzteren wandte sich etwa der Wormser Prediger Johann Rucherat von Wesel, dem dafür der Prozess gemacht wurde. Reformbewegungen bildeten sich heraus, die die kirchlichen Missstände aus dem Inneren beseitigen wollten, so zum Beispiel die Brüder und Schwestern vom gemeinsamen Leben sowie die Bursfelder Kongregation im Zuge der sogenannten „Devotio moderna“, doch schnell zeigten sich in den immer lauter werdenden Rufen nach Reformen auch soziale Dimensionen, die sich in utopischen Reformschriften wie der „Reformatio Sigismundi“ niederschlugen. Das breite Themenspektrum machte deutlich, dass die spätmittelalterliche Vorgeschichte der Reformation komplex ist und dass Luthers Schriften nicht als revolutionär gelten können, sondern stark vom kirchenreformerischen Gedankengut des späten 14. und 15. Jahrhunderts geprägt waren.

Der Kurs beschloss die Veranstaltung kurz nach Semesterende am 24. Juli mit einer pandemiekonformen Exkursion nach Worms, wo noch bis Ende 2021 die Landesausstellung „Hier stehe ich. Gewissen und Protest – 1521 bis 2021“ stattfindet. Sechs Studierende und zwei Gasthörer waren gespannt, was im Wormser Andreasstift geboten sein würde, und wurden von Kerstin Aßmann-Weinlich fachkundig durch die einzelnen Räume geführt. Ausgehend vom oben geschilderten Wormser Reichstag widmet sich die Ausstellung zunächst dem zeitlichen Kontext, den zentralen Akteuren und dem Auftritt Luthers in Worms, um anschließend epochenübergreifend Formen des Protests und der Zivilcourage in den Blick zu nehmen. Der Bogen spannt sich dabei von Bartolomé de Las Casas († 1566), der sich für die Rechte der Indios in Amerika einsetzte, über die Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Olympe de Gouges († 1793), die in Folge der Französischen Revolution hingerichtet wurde, die Widerstandskämpferin Sophie Scholl († 1943) und den Bürgerrechtler Martin Luther King († 1968) bis hin zu den Protagonisten der friedlichen Revolution in der DDR – um nur wenige Beispiele zu nennen. Außerdem werden die Ausstellungsbesuchenden immer wieder mit Gewissensfragen konfrontiert, die zur aktiven Beteiligung und vor allem zum Nachdenken anregen. Nach der einstündigen Führung hatten alle die Gelegenheit, noch einmal selbst durch die Ausstellung zu gehen und weitere Eindrücke zu sammeln. In den anschließenden Gesprächen untereinander zeigte sich, dass die Ausstellung als sehr anregend und durchaus polarisierend empfunden wurde und zu Diskussionen einlädt. Abschließend schlenderte die Gruppe noch zum Wormser Luther-Denkmal, um die Exkursion dort unter den Augen des Reformators zu beschließen.

Der Verein der Freunde der Geschichtswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz e. V. hat die Exkursion freundlicherweise unterstützt und die Eintrittsgelder der Studierenden sowie die Führungsgebühr übernommen, wofür ich mich herzlich bedanke.

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