Der westliche Balkan von der Antike bis in die spätosmanische Zeit
Viele Wege führen nach Rom – NEIN, in den Balkan! Genauer gesagt führten uns vier verschiedene Flugrouten aus Deutschland nach Tirana, der Hauptstadt von Albanien. Dort begann unsere Exkursion mit unserer bunt zusammengewürfelten Reisegruppe. Studierende, Doktorant*innen und Dozierende, die aus den Bereichen der Geschichte, Kunsthistorik und Archäologie kommen und unterschiedliche Fachschwerpunkte mitbringen, bildeten ein interessante Gruppenkonstellation für die Exkursion. Diese Vielfältigkeit spiegelte sich auch im Programm wider. Es stand eine intensive Woche mit vielen multiperspektivischen und interdisziplinären Highlights auf unserer Rundreise durch Albanien und Nordmazedonien an. Unterstützt wurden wir dabei von unserem albanischen Tourguide Klanti und unserem Busfahrer Kidi.
Die Exkursion startete in Tirana. Nach einer Stadtführung, die die vielfältige Geschichte der Stadt beleuchtete, besichtigten wir die Etem Bey Moschee mit ihren wunderschönen Wandmalereien und das Nationalhistorische Museum. Dort bekamen wir auch eine Führung durch einen Museumsmitarbeiter, der dem Wort „National“ während seiner Erzählungen eine große Bedeutung gab. Insgesamt stellten wir während unserer Reise immer wieder fest, wie stark der Nationalstolz in der albanischen Bevölkerung verankert ist. An unserem ersten Abend in Tirana brachte ein Freundschaftsspiel im Fußball zwischen Albanien und Polen die Stadt fast komplett zum Erliegen. Überall war die albanische Flagge zu sehen und in jeder Bar lief das Spiel.
Nach unseren Eindrücken in der Hauptstadt besichtigten wir die nahe gelegene Festung von Kruja. Vom Turm der Festungsanlage soll man, laut einer antiken Schrift, einen Blick bis ans Meer haben, weswegen wir dies natürlich überprüfen wollten. Jedoch kamen wir zu keinem eindeutigen Ergebnis. Das ursprünglich noch eingeplante ikonographische Museum war leider geschlossen, jedoch konnten wir mit einem Mitglied der Bektashi sprechen. Der Bektashi-Orden, der sich im Mittelalter aus dem Islam entwickelt hat, stellt die viertgrößte Glaubensgemeinschaft in Albanien dar. Das Gebetshaus der Bektashi, die sogenannte Tekke, war durch ein Erdbeben so in Mitleidenschaft gezogen worden, dass wir sie nur von außen besichtigen konnten. Ein besonderes persönliches Highlight stellte für uns das Sari Saltuk Heiligtum dar, weswegen wir es ausführlicher aufgreifen möchten:
Nachdem wir das Städtchen Kruja besichtigt hatten, sind wir mit unserem Reisebus das, östlich von Kruja liegende, Gebirge hochgefahren. Auf der Gebirgsspitze sollte uns ein
atemberaubender Blick erwarten: Nicht nur Kruja und die vorgelagerte Ebene waren einzusehen, am Horizont konnten wir sogar die Küste der Adria erahnen. Aber wir waren nicht nur wegen der herrlichen Aussicht hergekommen. Dieser atmosphärische Ort beherbergt das sogenannte „Sari Saltuk Heiligtum“.
Vor Ort erkundeten wir die, in eine Höhle eingebaute, Gebetsstätte und die dazugehörige Quelle. Ganz in der Tradition anderer Bektashi-Gebetsstätten, hatte die kleine Kapelle im inneren der Grote einen runden Grundriss und war mit grüner Wandfarbe verziert. Nachdem wir alle barfuß durch den kleinen Gedenkraum geschritten waren und die dahinter liegende Höhlennische mit zahlreichen Kerzen besichtigt hatten, konnten wir weitere Treppen ins Innere des Berges nehmen, um unsere Flaschen mit dem Wasser der heiligen Quelle zu befüllen. Dieses Wasser soll heilende Kräfte haben, weswegen viele Menschen nach Sari Saltuk pilgern. Sari Saltuk war, wie wir zuvor in der exkursionsvorbereiteten Übung erarbeitet hatten, eine Figur, um die sich zahlreiche Legenden ranken.
So ist nicht eindeutig geklärt, ob er lediglich der Derwisch der Bektashi-Gemeinde in Kruja war oder ob er doch am Hofe des Sultans Orhan (1326 – 1360) lebte. Andere Sagen berichten, er sei ein Schüler von Haji Bektash Veli gewesen, dem Gründervater der Bektashi-Traditionen. Seine Popularität verdankt er jedenfalls dem Symbolcharakter, den er für die Glaubensgemeinschaft hat. Er wird als Sinnbild der Toleranz der Bektashi gegenüber anderen Religionen angesehen. Weiteren Legenden zufolge war er ebenfalls in Europa unterwegs und reformierte Christen zum Bektaschismus. Es wundert also nicht, dass die für ihn errichtete Pilgerstätte einen Blick über die Grenzen der albanischen Küste hinaus ermöglicht.
Nachdem wir die außergewöhnliche Atmosphäre des Ortes in uns aufgesogen hatten und uns mit dem heiligen Wasser gestärkt hatten, fuhren wir mit dem Reisebus zurück in die vor uns liegende Ebene. Allein diese Busfahrt wäre schon einen Ausflug wert gewesen: die Panoramastraße, die uns während eines wunderschönen Sonnenuntergangs den Berg hinunterführte, ließ uns über die Schönheit der albanischen Landschaft staunen. Erfüllt von den Eindrücken, die uns die Geschichte der Bektashi und ihres Sari Saltuk offenbart hatten, fuhren wir zurück nach Tirana in unsere Unterkunft.
Unsere Reiseroute führte uns dann weiter nach Durres, eine Hafenstadt, die schon in der Antike eine strategische Bedeutung hatte. Im „Weißen Turm“, einem Teil der Befestigungsanlage, konnten wir durch eine VR-Tour einen ersten Eindruck des antiken Stadtbildes bekommen. Es war ein lustiger Anblick, wie alle nacheinander die VR-Brillen aufzogen und dann mit staunenden Gesichtern durch den Turm liefen. Nach diesem besonderen Rundgang ging es zurück in die reale Welt und wir besichtigten mit unserer Stadtführerin, die Archäologin ist, das Amphitheater. Begleitet wurden wir dabei von ihrem Hund, der sich in den noch nicht komplett ausgegrabenen Ruinen wohl fühlte. Der Grund dafür, dass bisher nur ein Teil des Amphitheaters ausgegraben werden konnte, sind die vielen Wohnhäuser, die direkt daran angrenzen. Anschließend besichtigten wir noch das antike Forum. Spontan besichtigten wir noch die Fatih-Moschee, die die drittälteste Moschee in Albanien ist. Einen kleinen Zwischenstopp auf unserer Fahrt machten wir noch im orthodoxen Kloster Ardenica. In diesem Kloster soll der albanische Nationalheld Skanderbeg geheiratet haben. Jedoch waren wir vor allem an der Marienkirche mit ihren wunderschönen und gut erhaltenen Fresken interessiert. Diese Klosterkirche wurde der Gottesmutter gestiftet. Auf den Fresken sind daher auch Begebenheiten aus ihrem Leben abgebildet.
Anschließend fuhren wir in den Archäologiepark Apollonia. Dort wurden wir von einem archäologischen Mitarbeiter des Parks durch die Überreste der antiken Stadt geführt. Die Stadt ist noch nicht vollständig ausgegraben, weswegen wir uns teilweise durch Büsche und Gestrüpp schlagen mussten, um zu den einzelnen Ausgrabungsstätten zu gelangen. Nach diesem Abenteuer besichtigten wir noch die orthodoxe Kirche, die im 14. Jahrhundert auf den Ruinen der Stadt gebaut worden ist, und das Museum des Parks mit
einzelnen Ausgrabungsfunden. Abgerundet wurde der Abend in einem traditionell albanischen Restaurant in Berat. Natürlich durfte da auch ein Gläschen Raki nicht fehlen. Wenngleich sich die Gruppe mittags in kleinere Grüppchen aufteilte, um Essen zu gehen, wurde abends immer gemeinsam gegessen und sich über die Eindrücke des Tages ausgetauscht.
Am nächsten Tag führte uns Klanti durch Berat, welche auch die Stadt der tausend Fenster genannt wird. Das Highlight war dabei die wunderschöne Königsmoschee aus der osmanischen Zeit mit der danebenliegenden Halveti-Tekke. Allein die Wandmalereien und Verzierungen sind einen Besuch wert. Dazu zieren die 99 Namen Allahs noch die Wände rund um die Kuppel der Moschee. Wie wir feststellten, kann man hier sehr viel Zeit mit dem Kopf im Nacken verbringen und staunen. Danach fuhren wir hinauf zur Festungsanlage, wo wir vom Direktor des ikonographischen Museums eine Führung mit vielen interessanten Erklärungen zu den einzelnen Heiligendarstellungen bekamen. Dort besuchten wir noch das Haus einer einheimischen Familie, das heute auch als ethnographisches Museum dient. Die Tochter der Familie zeigte uns nicht nur das Haus, sondern servierte uns in ihrem Wohnzimmer Nachspeisen und Raki. Hier zeigte sich die vielfach gerühmte Gastfreundschaft der Albaner*innen. In Saranda, einer Hafenstadt im Süden Albaniens angekommen, wurde der eindrucksreiche Tag mit einem abendlichen Bad im Meer abgeschlossen.
Am nächsten Tag fuhren wir nach Butrint. Der archäologische Park ist eine der Hauptattraktionen in Albanien. Ursprünglich von Griechen gegründet, erfuhr die Stadt während ihrer Zugehörigkeit zum Römischen Reich eine Blütezeit mit vielen baulichen Neuerungen. Das in dieser Phase gebaute Theater weist auch heute noch eine hervorragende Akustik auf. Anschließend ging es mit einem kurzen Stopp bei der Nikolaus-Kirche bei Mesopotam weiter nach Gjirokastra. Dort besichtigten wir das Skenduli-Haus, das inzwischen unbewohnt ist und ausschließlich als ethnographisches Museum dient. Ein besonderes Highlight war dabei das
Zeremonienzimmer, das alle anderen Räume mit seinen Holzschnitzereien und Wandmalereien übertrifft und uns zurück in eine Zeit versetzte, in der Frauen ihren zukünftigen Ehemann das erste Mal bei der Trauung sahen. Danach stiegen wir zur Festungsanlage herauf, um einen wunderschönen Blick über das Stadtbild zu genießen. Auf eigene Faust erkundigten wir dann in kleineren Gruppen die Stadt und kamen mit Einheimischen ins Gespräch und besuchten die Basar-Moschee, die während der osmanischen Zeit errichtet wurde. Auch hier finden sich die 99 Namen Allahs an der Wand. Der letzte Abend in Albanien brach an, da am nächsten Tag der Grenzübertritt nach Nordmazedonien anstand. Dazu mussten wir jedoch erstmal einen Gebirgspass überqueren. Neben einer spontan neu geteerten Straße sorgte auch noch eine kleine Reparatur am Bus für eine Verzögerung, wofür uns die wunderschöne Panoramalandschaft entschädigte. Die anstrengende Fahrt endete in Ohrid mit einem nordmazedonischen Bier direkt am Ufer des Ohridsees, der Albanien und Nordmazedonien voneinander trennt.
Am nächsten Tag besichtigten wir die Altstadt mit der berühmten Sophienkirche. Diese im 11. Jahrhundert gebaute byzantinische Kirche mit ihren neben byzantinisch auch lokal beeinflussten Fresken wurde im Zuge der Eroberung durch das osmanische Reich zu einer Moschee umfunktioniert. Einige Fresken wurden in diesem Zuge auch übermalt. Anschließend besuchten wir noch eine mittelalterliche Ikonensammlung und die Klimentskirche. Nach diesem kulturellen Programm standen am Nachmittag ein Bad im kristallklaren Ohridsee an.
Unter Klantis Führung fanden wir eine einsame Badestelle und passierten noch die auf einem Hügel direkt am See liegende Kirche des Johannes von Kaneo. Der letzte Abend der Exkursion endete in einem großen gemeinsamen Essen. Am nächsten Tag ging es früh Richtung Skopje, der Hauptstadt Nordmazedoniens, um von dort Heim zu fliegen. Ein kurzer Stopp wurde noch an der Kirche St. Panteleimon gemacht, eine der ältesten Kirchen des Landes.
Die Exkursion durch Albanien und Nordmazedonien war ein unvergleichliches Erlebnis, das uns wohl für immer in Erinnerung bleiben wird. Wir konnten Albanien von allen Seiten kennenlernen: von der Esskultur über die Gastfreundschaft der Bevölkerung bis hin zur malerischen Landschaft in Albanien und Nordmazedonien. Neben diesen zahlreichen alltagskulturellen Einblicken der Gegenwart konnten wir auch die Spuren der vergangenen Kulturen finden. Die interdisziplinäre Gruppenkonstellation ermöglichte es uns Studentinnen durch die Fachperspektiven der Byzantinistik, der Spätantike sowie der Osmanischen Geschichte in das Forschungsfeld einzutauchen. Auch die neuzeitliche Geschichte des Landes, mit zum Beispiel den Balkankriegen und der faschistischen Diktatur, kam dank unseres geschulten Reiseleiters Klanti nicht zu kurz. Hätten wir Albanien und Nordmazedonien nur aus den vier Wänden des Seminarraums kennengelernt, wäre uns ein umfänglicher Einblick in die Vielschichtigkeit der Kultur und Geschichte der Länder entgangen.
Reisebericht von Sarah Funk und Chiara Bach
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