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Exkursionsbericht – Museale Repräsentationen von Arbeit im Ruhrgebiet 2022

Zum Jahr 2018 ist im Ruhrgebiet „Schicht im Schacht“. Es bedeutet das Ende des deutschen Steinkohlebergbaus und somit auch das Ende einer Ära, die seit der Industrialisierung des späten 19. Jahrhunderts ein wichtiges Standbein und gleichzeitig Motor der deutschen Industrie war. Mit der Beendigung der Steinkohleförderung 2018 wird der letzte Schritt des seit den 1970er Jahren anhaltenden, tiefgreifenden wirtschaftlichen Strukturwandels getätigt, ein Wandel von einer industriell geprägten Arbeitslandschaft in eine stärker der Dienstleistung verhafteten Arbeitswelt. Verschlagworten lässt sich dieser Strukturwandel mit den Begriffen der Ent- bzw. Deindustrialisierung.

Mit Beginn dieses strukturellen Umwälzungsprozesses kam es zur Gründung zahlreicher Industriemuseen, welche sowohl Symptom wie auch Ausdruck und Träger dieses Wandels sind. Sie wurden praktisch als museale (und gesellschaftliche) Bewältigungsräume des Strukturwandels konzipiert, denn anfänglich stand das leitende Paradigma, durch die Museen Orientierungspunkte in einem noch laufenden Prozess der Umstrukturierung zu liefern, im Vordergrund.

In einer vorbereitenden Übung mit Titel „Repräsentation von Arbeit in der Museumsarbeit“ bereitete sich die Exkursionsgruppe um Dr. Freia Anders ein Semester lang durch textliche Lektüre auf den Besuch im Bochumer Bergbaumuseum sowie im Essener Ruhr Museum – Zeche Zollverein vor. So wurde mit allerlei Fragen im Gepäck am Dienstag, den 28. Juni 2022 die Reise nach Bochum angetreten. Dort angekommen stand als erstes ein Besuch der Ausstellung des Bergbaumuseums auf dem Programm, unter Führung der Museumskuratorinnen und -pädagoginnen, Stephanie Biermann und Sabrina Kluwe. Sie erläuterten einen Teil der Dauerausstellung nicht nur thematisch, sondern auch hinsichtlich der Ausstellungskonzeptionen und -intentionen. Im Anschluss hatte die Exkursionsgruppe einen Termin mit Dr. Stefan Moitra, dem stellvertretenden Leiter der Dokumentationsabteilung, der mit seinem spannenden Oral History-Projekt „Menschen im Bergbau“ lebendigen Gesprächsstoff mitbrachte. Die angesetzten zwei Stunden waren gefüllt mit einer spannenden und anregenden Diskussion, in der Stefan Moitra sein gelungenes Projekt nicht lediglich anpries, sondern auch auf die bisher bestehenden Leerstellen kritisch benannte, wodurch für einige Studierende der Gruppe attraktive Forschungsanreize und qualifizierte Praktikumsmöglichkeiten deutlich wurden. Genau, wie sich das eine universitäre Lehre im Hinblick auf die aktive Förderung des Nachwuchses wünscht! Bei einem offenen sommerabendlichen Ausklang im Badalona in Bochum konnten einige Gedanken, Fragen und Anliegen noch einmal vertieft werden.

Der Mittwoch startete – nach einem reichhaltigen Frühstück, das einige Teilnehmer so sehr zu Lobeshymnen und Überzeugung anregte, dass der Gedanke aufkam, den Sommer in Bochum zu verbringen – mit einem Besuch im Schaudepot des Ruhrmuseums Essen auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein. In diesem werden rund 25.000 Objekte aus Archäologischen, Naturwissenschaftlichen und Historischen Sammlungen gezeigt, die sonst im Verborgenen bleiben und so einen bemerkenswerten Einblick in die fast unerschöpflich erscheinenden Sammlungsbestände des Museums gewährleisten. Neben über tausendjährigen Fossilien, eingelegten Zucchinis, mittelalterlichen Ausrüstungsgegenständen des Ritterstandes, Porzellan, das verdächtig nach Großmutters Sammlung aussieht und einer üppigen Aschenbechersammlung war natürlich auch eine ganze Reihe von Artefakten des ehemaligen Bergbaubetriebes vertreten, die objektimmanent lebhafte Perspektiven offerierten. Auch die zwiespältige Funktion eines publikumswirksamen Schaudepots vor dem Hintergrund eines allgemeinen Mangels an sammlungsgerechten Depots wurde deutlich.

Im Anschluss an diesen mannigfachen Einblick traf sich die Gruppe mit Barbara Leppelt, der Leiterin des Projektes „Das Quartier“ des Zollvereins. Unter dem Stichwort „auf gute Nachbarschaft“ möchte der Zollverein Menschen und Akteur*innen im Bezirk rund um die Zeche eine Ansprechpartnerin bieten, die als Vermittlerin für Begegnung und Zusammenarbeit in dem historisch gewachsenen Kulturraum der Zeche Zollverein fungiert. Trotz eines hurtigen Abbruchs unserer Gesprächsrunde mit Frau Leppelt – die anvisierte Bahnverbindung zur Rückreise wurde kurzfristig gestrichen – konnten interessante Blickwinkel eröffnet werden, was es heißt, industrielles Erbe zu verwalten, den Kommunikationsraum stets geöffnet zu halten und immer wieder neue Impulse im aktiven Umgang mit der Vergangenheit des Zollvereins zu setzen.  Bilanzierend lässt sich sagen, dass die zweitätige Exkursion nach Bochum und Essen für die gesamte Exkursionsgruppe einige neue wie erhellende Eindrücke zum Thema Arbeit in der Museumsarbeit sowie zu den Industriemuseen als Akteure innerhalb des Strukturwandels liefern konnte.

Von Maya Lerner

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